25 Prozent weniger Krankenhäuser? Brisanter Gesprächsstoff bei der 11. Mitgliedervisite

Die erste gemeinsame Mitgliedervisite der Gesundheitsregionen Münster und Osnabrück-Emsland fand bei der apetito AG in Rheine statt – „in direkter Nachfolge an den Westfälischen Frieden“ wie Vorstandsvorsitzender Dr. Karl-Heinz Schnieder augenzwinkernd in seiner Begrüßung bemerkte. Bevor das provokante Thema des Referenten Dr. Sebastian Krolop „Muss sich Deutschland 25 Prozent weniger Krankhäuser leisten?“ zur Diskussion anregte, nutzten der Großteil der Mitglieder die einmalige Möglichkeiten der Führung über das Gelände des Gastgebers, der apetito AG in Rheine.

Einblicke in die Produktion eines Versorgungsexperten

Mit 500.000 Gerichten, die apetito täglich kocht, portioniert, schockgefriert und vom Werksgelände in ganz Deutschland und Holland ausliefert, „könnten wir ganz Münster mit zwei warmen Mahlzeiten am Tag versorgen“ erzählt Norbert Menne, der eine der Gruppen über das Gelände führt. Staunend lauschen die Mitglieder den beeindruckenden Zahlen des Unternehmens: 3.200 Gerichte, weltweit 8.400 Mitarbeiter und die Versorgung von 1.2 Millionen Menschen täglich. Wahrscheinlich hatten wir alle bereits Lebensmittel von apetito auf der Zunge, da das Unternehmen in allen Supermärkten mit Eigen- und Handelsmarken vertreten ist und außerdem Kindertagesstätten, Schulen, Seniorenheime und Betriebsküchen mit seinen Gerichten versorgt. Eine Großküche, die diese Masse an Produkten im Zweischichtsystem zubereitet und mit 1000 Liter Kesseln arbeitet, hatten sicher die wenigsten Mitglieder bereits gesehen. Wie Sie sich die Zubereitung von tausenden, möglichst gleichgroßen Schnitzeln vorstellen, wissen wir nicht. Bei apetito funktioniert das mit Fachkräften aus der Metzgerei und maschineller Unterstützung bei Qualitäts- und Hygienestandards, welche die Vorgaben der Industrie sogar übersteigen.

Letzte Station der interessanten Führung war das mehrgeschossige Kühlhaus. Nach -22°C im Kühlhaus überwog dann fast der Wunsch nach Glühwein vor dem Wunsch nach dem bereitstehenden Begrüßungssekt.

Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie

Stichwort Kühlung: Wer in seinem Produktionsprozess so viel Energie verbraucht, der setzt sie auch sinnvoll ein. So erzählt uns Norbert Menne, dass das heiße Wasser, welches bei der Kühlung entsteht, gesammelt wird und zum Heizen und zur Erst-Reinigung der Koch-Kessel verwendet wird. Nachhaltigkeit ist ein grundsätzliches Thema bei apetito und das nicht erst seit gestern. Dies zeigt Dr. Christian Kleikamp in seiner Kurzvorstellung des Unternehmens sehr eindrücklich. 2012 wird apetito sogar ein eigenes Biomassekraftwerk fertig stellen und auch die Betriebszugehörigkeit von über 20 Jahren bei 30 Prozent der Belegschaft spricht für sich.

Das gute Betriebsklima wird bereits auf dem Rundgang schnell spürbar, sei es durch liebevoll gestaltete Räumlichkeiten als auch wegen des gepflegten Ambientes oder dem kleinen Betriebskräutergarten.

Gesprächsbedarf: Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern

„Muss sich Deutschland 25 Prozent weniger Krankenhäuser leisten?“ mit dieser provokanten These begann Dr. med. Sebastian Krolop, Mediziner und Ökonom, seinen Vortrag und zog die Zuhörerschaft der Vertreter aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft in sein brisantes Thema hinein. Die deutsche Gesundheitswirtschaft überstieg mit einem Marktvolumen von 277 Milliarden Euro bereits 2009 das Bruttoinlandsprodukt von Griechenland. Der Wirtschaftsfaktor Gesundheit ist in der Gesamtsumme demnach nicht zu unterschätzen. Wie aber sieht es mit der Wirtschaftlichkeit einzelner Krankenhäuser aus? Dr. Krolop stellte den Mitgliedern das „Krankenhaus Rating 2011“ vor und zeigte, dass etwa 12 Prozent der Krankenhäuser qualitativ und wirtschaftlich so schlecht aufgestellt sind, dass sie keine Kreditwürdigkeit besitzen und damit besorgniserregend unwirtschaftlich arbeiten. Öffentlich-rechtliche Häuser schneiden dabei im Schnitt schlechter ab, als Krankenhäuser in privater Hand. Aber auch regionale Unterschiede zeichnen sich ab, Krankenhäuser im Osten Deutschlands stehen besser da, als in Westdeutschland. Welche Konsequenzen hat das für die Zukunft, wenn nicht nur Personalkosten sondern auch die Anzahl der zu behandelnden Fälle weiter steigen? Leichtgängig und mit anschaulich zeichnete Dr. Krolop das potentielle Zukunftsszenario und wies auf bemerkenswerte Fakten hin. So dauert ein Krankenhausaufenthalt in Deutschland durchschnittlich 7,8 Tage. Damit liegen wir im weltweiten Vergleich am hinteren Ende. Die meisten Länder entlassen ihre Patienten schneller. Erstaunlich auch, dass es regionale Unterschiede in der Gesamtzahl der Fälle, die medizinisch versorgt werden, gibt. So stellte Dr. Krolop mit einem Augenzwinkern fest: „Wenn sich alle Saarländer nur so viel medizinisch versorgen lassen würden, wie es die Baden-Württemberger tun, so könnten wir sofort 25 Prozent der Krankenhäuser schließen.“

Schließen ist aber nicht gleich schließen, erklärte Dr. Krolop und stellte verschiedene Reduzierungsmöglichkeiten vor. Kernpunkt der anschließenden Diskussion unter den Mitgliedern war dann der Vorwurf der Medien, dass Krankenhäuser mit dem Geld der Krankenkassen nicht rechtmäßig umgehen. Vertreter der Krankenkassen und der Medizinanwalt Dr. Schnieder konnten die Hintergründe dieser Vorwürfe allerdings ins rechte Licht rücken.

Es zeigte sich das große Potenzial, welches in der Idee der Gesundheitsregionsvereine steckt. Sie bringt Akteure aller Sektoren der Gesundheitswirtschaft zusammen, die in dieser Form sonst selten die Möglichkeit eines Austauschs auf Augenhöhe haben – In diesem Fall sogar über die Ländergrenzen hinaus. Der Abend fand seinen kulinarischen Abschluss in einem Büfett welches den Vereinsmitgliedern die zuvor auf dem Gelände bereiteten Speisen zur Verkostung darreichte. Tatsächlich, Verpflegung auf sehr hohem Niveau.

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